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hier die ersten Kapitel zum Reinlesen.

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Tracklisting

A
1. E1NS.
2. Wer kann dazu schon vielleicht sagen?
3. Warum dann?
4. So einfach.
5. Warum schlug Marek seinen Kopf gegen die Mauer?
6. Masse, Staat und ein Gegenbeispiel.
7. Die vier spanischen Thesen.
8. Angemessener Obulus.
9. Wer kann dazu schon weeßschni sagen?
10. Erektion.
11. Wenn sich nichts verändert, verändert sich nichts.
B
1. 'S 'a ungail.
2. Fresse in die Kamera.
3. Rohre.
4. Die Schweinsblase.
5. Der Wanderprediger.
6. Inspektor Lee.
7. Smi2le.

 

 

REMIXES
8. Corpus Callosum. Von Dj Jivi.
9. Schuldkomplex-Vanillesex. Suses sahniger Ficken-2000-Mix.
10. Onkel Rosebud sets the control for the heart of bass.
11. Top 25 Sinneinheiten. Von Frank Unger.
12. Living Together. Von Sybille Teutsch.
13. Kulla trifft den kleinen Hobbit und andere ungeladene Gäste. Von André Seyfarth.
14. Die Apokalypse according to Karo.
  

 

E1NS.

Bei einer CD geht das ja nicht, die kann man nicht umdrehen, aber dieses Buch hat noch mehrere Seiten. Es knistert jedenfalls schon.

Die im Haus befindlichen Mutterficker

MAMA SAG MIR WARUM

Rocken den Platz

SPIELEN DIE KINDER NICHT MEHR MIT MIR

Die im Haus befindlichen Mutterficker

ALLE DREHEN SICH WEG WENN ICH WAS SAG

Rocken den Platz

SELBST KAROLIN DIE ICH SO GERN MAG

WER KANN DAZU SCHON VIELLEICHT SAGEN?

Wenn wir versuchen herauszufinden, wie es zu diesem furchtbaren Ereignis kam, oder zu dieser Ereigniskette, müssen wir uns auf die mageren Informationen verlassen, die es noch gibt. Wir müssen aus den Andeutungen und halbvernichteten Dokumenten herauslesen, was geschehen sein könnte und werden uns doch nie so sicher sein wie in unserer Bewertung jener Katastrophe, die alle von uns als ganz wunderbar ansehen, nicht wahr?

Wo fangen wir an?

Zunächst ist es notwendig, die Nadel auf die erste Rille zu legen wenn der Song eine Geschichte erzählt, kann die Geschichte wie ein Song klingen? die Kleider abzulegen denn das, was gerade überall passierte und das, was nur hier (und an den anderen Hiers) gerade passierte, traf sich zwei Zentimeter vor dem Bildschirm auf den Brillengläsern, bevor Der Mot sich wieder in eine andere Ecke des Zimmers warf Feuer zu geben die Lautsprecherboxen der Anlage drohten zu platzen, der Fernseher war weit übersteuert tief durchzuatmen ein grelles Licht flackerte rhythmisch von der Decke (nicht so wie in dem anderen Buch) auf den Link zu klicken der Drucker spritzte eine aus dem Netz geladene Reproduktion des Spermas des Präsidenten in das dafür vorgesehene Gefäß die Finger zu knacken was sich unsichtbar abspielte, war der nur knapp verfehlte Einbruch des Absolut Guten und des Absolut Bösen ins Zimmer, die von der VoodooDeathJungle-Platte auf dem Turntable und den makabren Scherzen der Marx Brothers aus dem Videorecorder beschworen worden waren zu lächeln und deren finales Zusammentreffen nun trotzdem erst irgendwann später stattfinden würde, mit brüllendem Feuer und gefrierenden Strahlen, in der nächsten Sekunde oder bei der Wiederkehr in 2000 Jahren die Pausetaste zu lösen sichtbar war der zuckende Körper, der den Kopf auf ihm mit Bewegungsenergie versorgte und ihm so ermöglichte, die Gedanken zu Materie werden zu lassen, das Sein zu bestimmen die Lippen zu befeuchten virtuelle Realität nicht als Klassifizierung, sondern als Verschmelzung (Vorhaben Nr. 46: einen Crossover-Kult begründen) in produktive Trance zu verfallen die Tarotkarten brauchte dieser Kopf sich schon lange nicht mehr von seinem Körper legen zu lassen, er materialisierte sie und fraß ihre Bedeutung die Flasche zu entkorken verwirrend für die Augen in aller blitzenden Beleuchtung war die unleugbare Flamme in seinem Bauch, die in dem ekstatischen Zusammenprall der Elemente mit diesem Moment und diesem Ort ruhig und kräftig loderte SICH ZU RÄUSPERN ein Aufschrei, eine reine Produktion, ein ausgewachsenes Kind, aus dessen Nerven Zukunft wuchs den Hörer abzunehmen alle Erinnerung lief hier zusammen, es gab kein Vergessen mehr, wenn es das je gegeben hatte die Karte zu ziehen blaue Druckwellen gingen von diesem Raumzeitknoten aus, von der fleischgewordenen Evolution, dem nervengewordenen Emotionsrhythmusgenerator zu sagen "Du gefällst mir und ich möchte dich kennenlernen" sie breiteten sich in die Straße aus, in die Stadt, die es merken mußte, so gut sie alles hatte ignorieren können anzuzählen das anwesende Alles würde sich mit den anderen Allen verbinden können, gerade noch rechtzeitig den Ofen vorzuwärmen es würde Säfte verspritzen und verschwitzen, Haut integrieren, geben und nehmen, geben um zu nehmen, nehmen um zu geben die erste Seite aufzuschlagen. WER KANN DAZU SCHON VIELLEICHT SAGEN?

Denn Der Mot war ja offenbar nicht vorgesehen, was ihn eine reziproke Paranoia entwickeln ließ ("Sie können mich gar nicht kriegen") und so ist in ihm ein durchaus zentraler Verursacher der zu untersuchenden Vorgänge zu sehen.

Der Mot war wieder an diesen Ort zurückgekehrt, muß man wissen. Hierher, von wo er angewidert und ernüchtert geflohen war, nachdem er VSQ gegründet hatte und überhaupt überzeugt gewesen war, so ziemlich alles versucht zu haben, um eine REAKTION zu erzeugen, FEEDBACK zu bekommen, was er ja verdient hatte, nicht wahr?

WARUM DANN?

Nicht besonders spannend, diese Sicht der Geschichte. Erwarten Sie keine Antworten im irdischen Fernsehen. Die christliche Sicht, namentlich. Ein Anfang und ein Ende, eine allmächtige Wesenheit ist Three in One: Schöpfer, dessen körperliche Erscheinung und das spirituelle Medium. Diese Wesenheit erschafft diese Welt, nach allgemeinem Dafürhalten also das gesamte bekannte Universum, und wacht dann hauptsächlich über die Handlungen der komplexesten ihrer Kreaturen. Freundlicherweise wird ihnen gestattet, selbst zu entscheiden, was sie tun wollen.

Der unbedeutende Haken besteht darin, daß nach Ablauf von etwa 6000 Jahren alle in der Zwischenzeit Überwachten vor ein Tribunal gestellt werden. Haben sich die Geschöpfe ausschließlich für Taten entschieden, die die Wesenheit von vornherein als GUT definiert hat, dürfen sie ihren Organismus für immer verlassen, um im Himmel eine ziemliche Menge ewigen Spaß zu haben, wenngleich wahrscheinlich weiterhin unter Einhaltung des Verhaltenskodex.

Im viel wahrscheinlicheren Fall, daß das Tribunal andere als die GUTEN Taten feststellt, geht's ab in die Hölle, wo der Körper endloses Leid zu ertragen hat. Die Vollversorgung mit erlesenen Fiesheiten wird dadurch sichergestellt, daß der verantwortliche Peiniger in der Hölle selbst einst aus dem Himmel rausgeflogen ist.

Spezielle Formen des Christentums haben Möglichkeiten erwogen, die erdrückende Mehrheit der Geschöpfe, die eine erdrückende Vielzahl von nicht GUTEN Taten begangen hat, dennoch vor den ewigen Qualen zu bewahren: der Wesenheit die Eier schaukeln; ihren Vertretern auf Erden ausführlich von den nicht GUTEN Taten erzählen; sich präventiv selbst bestrafen; sein ganzes Leben mit sinnlosem Geplackere verbringen; nicht GUTE Taten von anderen verpfeifen, damit diese ebenfalls Gebrauch von diesen Hintertürchen machen können.

Einen bedeutenden Teil dieser ganzen Geschichte stellt die Annahme dar, daß die Seelen der Geschöpfe zum Zwecke der späteren Beurteilung sofort nach dem Tod dem Körper entnommen werden, um an einem neutralen Ort deponiert zu werden. Um dorthin zu gelangen, müssen sie gen Himmel fahren.

An diesem sonnigen Tag mit 15 Axtmorden in Nordamerika und einem Weltrekord im Kugelstoßen hatten Christliche Wissenschaftler ihre Reihe von Messungen vorbereitet, mit denen sie physikalische Veränderungen über Sterbenden im Moment ihres Todes nachzuweisen beabsichtigten. Sie argumentierten wie üblich, daß es weiter nichts zu bedeuten hätte, wenn sie nichts messen könnten. In diesem Fall müßte lediglich davon ausgegangen werden, daß ER in weitaus unergründlicherer Weise die Seelen zu sich holt. WARUM TATEN SIE ES DANN?

Ein positives Ergebnis, ein meßbares Phänomen würde jedoch ihre Version der Geschichte ziemlich gründlich untermauern, oder?

Die Forscher hatten sich in einem Krankenhaus in Malmö versammelt und über dem Bett eines Schwerkranken mit dessen einige Apparate plaziert. Sensoren für Luftbewegungen, Temperaturveränderungen und elektromagnetische Phänomene hingen oder baumelten über diesem Geschöpf, dem nach Ansicht der Ärzte nur noch wenige Stunden blieben.

Trotzdem Zeit genug, um den Schauplatz zu wechseln, was normalerweise gar nicht erklärt zu werden braucht, wenn der Autor davon ausgeht, ein aufmerksames Publikum zu haben. WARUM TUT ER ES DANN? Es war nämlich derselbe sonnige Tag, an dem Der Mot endgültig die Schnauze voll hatte und beschloß, sich in die Erde zu graben.

Er wußte, daß es eigentlich nicht viel Sinn machte, weil er wieder heraufkommen müßte, sobald seine Vorräte aufgebraucht wären und daß ab einer bestimmten Tiefe eigentlich nichts außer unangenehmen Temperaturen und schlechter Luft zu erwarten waren. Er wußte eigentlich nicht, was er sich davon erhoffte. WARUM TAT ER ES DANN? Er hatte diesen automatischen Bagger unbemerkt entwenden können und kannte diesen guten Platz, an dem er beginnen könnte. Und er hatte keinen Bock mehr auf die Oberfläche. Das hatte einen einfachen Grund.

Er hielt sich nicht für eine öffentliche Angelegenheit, jedenfalls nicht rund um die Uhr.

Er mochte es nicht, daß irgendjemand sein Telefon abhörte. Er mochte es nicht, daß er ständig auf den Bildschirmen von Wachgesellschaften zu sehen war. Er mochte es nicht, daß er jederzeit und überall erkennungsdienstlich behandelt werden konnte. Er mochte Satelliten nicht.

Vor allem kackte es ihn an, keine Möglichkeit zur Gegenwehr zu haben. Es gab kugelsichere Westen und Laserwaffen gegen Nuklearangriffe, es gab Selbstverteidigungskurse und Türen mit Schlössern. Aber es gab meistens nicht mal ein sicheres Zeichen, ob ihn gerade jemand mit Augen oder Ohren angriff, ganz zu schwiegen davon, daß es auch dann nur selten möglich war, den Angriff abzuwehren.

Ihre Kameras funktionierten da unten nicht.

Hähä! Pffffrt! Anneschmiert!

Glaubt der Autor etwa, daß hier jemand dem Text nicht genug Aufmerksamkeit widmet? Er weist schon wieder darauf hin, daß der Schauplatz wechselt, wie es gar nicht seine Art ist. WARUM TUT ER ES DANN? Busy, busy, busy. Wir sind wieder im Krankenhaus, bei den braven Christen, die auf ihre eigene Weise die Kunde von ihrem Glauben verbreiten wollen, indem sie einen zeitgemäßen Gottesbeweis zu erbringen trachten.

Der Mann, der dort seine letzten Stunden auf Erden erlebte, glaubte nicht mal an den ganzen Zauber. WARUM... DIES IST KEIN STREIT, ES IST BLOß WIDERSPRUCH DIE GANZE ZEIT. NEIN, IST ES NICHT. Ich meine, glaubt hier irgendwer, er hätte es aus einem anderen Grund getan, als wegen der nicht unerheblichen Zuwendung an die Hinterbliebenen aus dem Topf der Heiligen Kirche? Ja, das wäre durchaus möglich, wenn er festen Glaubens gewesen wäre. Es sind vielmehr die braven Christen selbst, die keine zu fromme Versuchsperson haben wollten. Auch ein Gottesbeweis mußte frei von Plazebo-Effekten sein.

Während dieser schwedische Gentleman also Gott dafür dankt, daß er nicht an Gott glaubt, weil seine Frau und seine Tochter so für einen versuchten Gottesbeweis belohnt werden konnten, warten die braven Christen ungeduldig auf seinen baldigen Tod und Der Mot beginnt zu baggern.

"Hey, Schätzchen, ich weiß, daß du es nicht magst,. angequatscht zu werden. Aber ich bin ehrlich beeindruckt, was nicht so oft vorkommt, verstehst du?" Colette wußte, daß es sehr schnell in die Phase gekommen war, wo es völlig egal war, was sie sagte. Dieser schleimige Arsch würde es in jedem Fall als Spiel auffassen und niemals akzeptieren, daß sie ihn einfach für einen Widerling hielt. Sie sagte trotzdem noch etwas, bevor sie ihn stehenließ. WARUM, VERDAMMT? WARUM? WARUM? WIDERSPRUCH, DIE GANZE ZEIT! Colette sagte: "Ich versuche mit allen Mitteln richtigen Schmerz zu erleben, das ist sozusagen meine Leidenschaft. Schade, daß ich kein Kerl bin, dann könnte ich mir eine Nutte kaufen, die mir in den Schwanz beißt. Egal, richtigen Ekel kenne ich jetzt." Aus Mangel an Stil und aufgrund all seiner anderen studentischen Charaktereigenschaften mußte der Typ natürlich noch seinen Senf dazugeben, um nur nicht zu beeindruckt zu wirken. "Ich bin ehrlich beeindruckt", sagte er deshalb hinter ihr her. "Ich heiße Midel. Ich bin jeden Mittwoch hier. Wir sehen uns." Er hatte nicht verloren, er hatte einen Teilerfolg errungen. Und er konnte noch eine ganze Reihe potentieller Teilerfolge auf der Tanzfläche ausmachen.

Colette hatte sich nicht im Griff. Sie verfluchte sich dafür, sich von so einem Blödmann den Abend versauen zu lassen. Warum stürmte sie jetzt die Straße entlang, die Hände in den Mantel gestopft? Was gab diesem Sack die Macht, ihr Wohlbefinden zu beeinträchtigen?

Wenn ich wirklich vorhab, echten Schmerz zu erleben, muß ich erstmal diese automatischen Groschengefühle loswerden.

Komm schon, stirb, wir brauchen Ergebnisse. Wer weiß, wieviele Seelen wir noch retten können, wenn wir sie mit unseren Messungen beeindrucken können. Du gehörst eh nur zum Gegenverkehr, am Ende.

 

SO EINFACH.

Der Mot floh auch aus Verbitterung. Denn er war sich sicher geworden, daß all die Unmengen von Datenspuren, die er mehr oder weniger freiwillig hinterlassen hatte, nie einem wirklichen Zweck zugeführt worden waren. Er hatte durchaus versucht, sich öffentlich zu machen. Aber doch nicht, damit jemand "Interessant" sagte. Und erst recht nicht, damit ihn jemand beschuldigen könnte, eins ihrer albernen Gesetze verletzt zu haben.

Seine Leidenschaft war es gewesen, wirkliche Aufmerksamkeit zu erlangen. Doch er war dem Ziel nur nahegekommen und das beständige Ringen mit den Enttäuschungen hatte ihn zynisch und isoliert gemacht.

EINFACH Was war er für ein Kerl? Er war eigentlich nicht von einer auffälligen äußeren Erscheinung und hatte auch nie versucht, sich auffällig zu kleiden oder dergleichen. Das war nicht die Art von Aufmerksamkeit, um die es ging. Hmm, was für ein Kerl war er eigentlich? Es ist schwer zu sagen, weil er meistens mit sich selbst beschäftigt war, bis er wieder einen seiner Versuche unternahm, Feedback zu produzieren. Er hing in seiner Wohnung rum, die er mit Einkünften aus gelegentlichen Zeitschriftenartikeln finanzierte. Er malte hin und wieder ein Bild, das seine Katze oder die Wolken zeigte. SO EINFACH

Beziehungsweise hatte er all das getan und war so gewesen, bis er von seinen direkten Methoden der Resonanzerzeugung zu indirekten übergangen war. Aber das gehört hier noch nicht her. Das hätte der Lektor an dieser frühen Stelle nicht mal andeuten lassen dürfen.

Schlechte Arbeit.

Hierher gehört die zweite Sicht der Geschichte. Die ist spannend, weil sie viel geschickter ausgedacht war, so geschickt, daß zahllose geistreiche Denker auch nach intensivem Studium nie dahinter gekommen sind, daß in dieser Anschauung alle uns bekannte Geschichte auf einen Western mit unzähligen Fortsetzungen reduziert wurde.

SO EINFACH IST DAS ABER NICHT. Klingt aber gut. IST ABER NICHT SO EINFACH.

Der erste Teil dieser beliebten Western-Reihe vom Historischen Materialismus ("Histomat – Episode 1") spielt in der Zeit der frühesten Staaten. Die Bösewicht-Bande wird von den damaligen Herrschern gespielt und die Guten von den ausgebeuteten Sklaven. Letztere veranstalten ein paar Aufstände mit Kirk Douglas in der Hauptrolle und bringen so die Herrscher zu Fall. Da "Histomat" nicht sehr komisch konzipiert wurde, ist der zweite Teil am Ende des ersten schon überdeutlich vorweggenommen. Andere Herrscher haben das Imperium und die Macht an sich gerissen und schlagen zurück. Diesmal müssen arme Bauern mit Dreschflegeln sie verjagen. SO EINFACH IST DAS.

Schließlich wurde der letzte Teil angekündigt, in dem es zum finalen Showdown zwischen der bürgerlichen und der proletarischen Klasse kommen sollte. Ein Teil zu enden alle Teile. Danach sollten eigentlich nur noch schnulzige Heimatfilme gedreht werden, in denen alle gemeinsam in die Kamera lächeln. SO EINFACH IST DAS.

Aber es fanden sich für die Massenszenen zu wenig Darsteller, so daß das Projekt nur zweitklassige Verfilmungen im Ausland erlebte, in denen die Heimatfilme dann auch mehr wie Tiersendungen über Ameisenhaufen anmuteten. Ameisenhaufen inmitten von Termitenkolonien.

Da es aber so gut klang und ausgesehen hatte und SO EINFACH WAR, wurde die Story am Leben gehalten. Hin und wieder fanden sich Darsteller zusammen, um die Unterdrückten zu geben, und die flippten jedesmal völlig aus, wenn einfach kein Drehbeginn angesetzt wurde.

Schließlich wurde das Fernsehen erfunden, das schon bald Kameras auf jeden richtete, der nicht schnell genug wegkam. Im Internet richteten lauter Menschen Kameras auf sich selber. Also fand sich ein historisch-materialistischer Fernsehproduzent aus Neuseeland, dem diese holländische Show sehr gefiel, in der zehn Freiwillige rund um die Uhr gefilmt wurden, bis neun von ihnen entweder getürmt waren oder das Publikum sie rausgeworfen hatte. SO EINFACH IST DAS, dachte er sich. Er beschloß, lauter Arbeiter und einen bürgerlichen Vorstand in eine Fabrik zu sperren, um sie dann beim Klassenkampf zu filmen. Titel des Spektakels? Dem Zeitgeist entsprechend war es unter "Das letzte Gefecht" nicht zu machen.

AB MORGEN, JEDEN DONNERSTAG UM 20.15 UHR AUF DIESEM SENDER.

Täterätä. Im Mittelpunkt der Kontroverse: Werner Pieper. Dumdumdumdumdäddäää. Noch nie war Literatur so umstritten. Erfahren Sie seine Geschichte und erleben Sie das exklusive Interview über das Buch des Anstoßes "The Incredible Holk" – gleich nach der Werbung. - Pllling.

 

WARUM SCHLUG MAREK SEINEN KOPF GEGEN DIE MAUER?

GESCHICHTSBILD NUMMER DREI

 

Warum schlug Marek seinen Kopf gegen die Mauer?

Weil er genau wie Colette wirklichen Schmerz suchte?

Warum schlug Marek seinen Kopf gegen die Mauer?

Weil er des Schmerzes müde war: um sich ihm zu entziehn?

Warum schlug Marek seinen Kopf gegen die Mauer?

Weil er verliebt war und nun enttäuscht und fluchte?

Warum schlug Marek seinen Kopf gegen die Mauer?

Weil es alles immer vergebens und nichtig erschien?

 

Marek schlug seinen Kopf gegen die Mauer, weil ihm klargeworden war: sein Verstand war das Problem.

Er hatte es von seinen Freunden gehört und in den Schriften gelesen, die in seinen Kreisen kursierten.

Seine Freunde waren Ökologen und Nazis und Veganer, und sie waren sich einig: der Verstand war das Problem.

Sie beschworen die Natur als den guten Urzustand, die einen harmonisch und die anderen als Kampf.

Die Anmaßung, die Sünde des Stolzes hatte den Menschen der Natur entrückt und Entfremdung produziert.

Er kochte Essen, braute Bier, fickte in der Missionarsstellung und machte sich Bilder von den Dingen, die da sind.

Er verhielt sich lieber nach den Bildern als nach den Dingen und entfloh der Gruppe, dem Volk, dem Stamm.

Er beschwor großes Unheil, denn er war unnatürlich, gegen Gottes oder der Heiligen Mutter Natur Gebot.

 

Marek hatte jahrelang Kurt Vonneguts Bücher gelesen

Den Jazzpunkcore von NoMeansNo gehört

Jetzt wurde ihm klar, die haben’s auch so gesehen

Daß die menschliche Vernunft die Welt zerstört

Vonnegut schrieb: Schuld sind die großen Gehirne.

NoMeansNo sagten, laßt die Atomraketen nicht nur stehen

Die Welt ist infiziert mit Illusion und Lüge

Sie braucht eine Strahlendusche zur Desinfektion.

 

Konsequenterweise hatte sich irgendwo in Brandenburg eine neue ursprünglich-natürliche Bewegung gegründet, die eine Gegenbewegung hervorrief, die eine Gegenbewegung hervorrief, die eine Gegenbewegung hervorrief. Die erste Bezeichnung, die in den überall zirkulierenden Untergrundblättern fiel, war Muttererdeficker oder Erdmutterficker. Es war nicht ganz klar, ob es die Eigenbezeichnung war, oder ob der linke Opferkomplex sich das erstbeste Schimpfwort aufs Schild gehoben hatte. Früher von den Neonazis als "Zecken" verunglimpft, die den "deutschen Volkskörper zersetzen", war man ja auch schnell dazu übergegangen, sich als Zeckenpower zu deklarieren.

Schon bald war außerdem von Fickisten und Antifickisten (Antifi) die Rede, sowohl auf Transparenten bei AKW-Stillegungs-Demonstrationen als auch aus den Lautsprecherwagen bei Kundgebungen zur Solidarität mit "nationalen Genossen".

Die ursprüngliche Legende der Entstehung der Bewegung und aller ihrer Anhängsel erschien in einem Anarchistenblatt namens "Mutter Erde zuerst": Es gab keine Elfen mehr im Wald, weil niemand mehr in den Wald wichste, dafür aber Alligatoren in der Kanalisation.

Die Tatsache, wie albern die Argumentation aussieht, spricht nicht für oder gegen ihre Echtheit.

Längst gab es keine Angriffsflächen an den Naturbewegten mehr, seit sie Logik und Rationalität als Waffen der modernen Zivilisation anzusehen begonnen hatten. Sie zogen die rituelle Beschwörung vor: Sie versammelten sich, um Äcker und Waldböden mit all ihren Ausscheidungen aus dem Geschlechts- und Verdauungsapparat zu segnen, um sich mit der Muttererde zu vereinigen, wie es ihrem Namen entsprach.

Trotz dieser lustigen, wenn auch viel zu ernst gemeinten Aktivitäten wären ProFi und Antifi für Außenstehende nie wichtig geworden, wenn sich nicht die Jugendorganisation der ostdeutschen national-revolutionären Patrioten des Sozialistischen Vaterlands PSV, der Sozialistische Jugendappell SOJA, in Scharen an den sonderbaren Ritualen der Muttererdeficker beteiligt hätte.

Die PSV waren zügig als Sammelbewegung aufgetreten, als nach dem Zerfall der CDU im Osten auch Mitglieder von DVU und PDS von der Sehnsucht nach einer übergreifenderen Organisation erfaßt wurden. Es wurde eine recht seltsame Partei, denn sie war wirklich ehrlich. Es gab kein zusammengeschustertes Programm, um eine bestimmte Zielgruppe zu begeistern, nein, die Zielgruppe schuf sich genau die Struktur, die sie sehen wollte. Das mußte alles nicht zurechtgebogen werden. "Ossis" und "das Volk" gleichzusetzen, war ebenso leicht, wie "Wessi-Kapitalisten" mit den "jüdischen Weltwucherern". Hier wie da kam die Gefahr deutlich von außen und bedrohte die idyllische Gemeinschaft.

Die PDS wurde beschimpft, im Parlament mit der Fremdherrschaft von Westen gemeinsame Sache zu machen, die DVU war hochverdächtig, weil sie von einem westdeutschen Verleger finanziert wurde.

Mit der öffentlichen Diskussion, die ebenfalls als westdeutsch und amerikanisch dominiert empfunden wurde, war längst gebrochen worden. Denn in Hinsicht auf eigene Kommunikationsformen waren die PSV beispiellos erfolgreich.

Bei den frühen Partei-Zusammenkünften hatte man begonnen, sich zurückzubesinnen, die tieferliegenden Wurzeln heraufzubeschwören, zu denen man gern zurückkehren wollte. Also verließ die Partei die Innenräume und faßte die freie Natur als Versammlungsort ins Auge. Sie brachte bei Fahnenappellen, Aufmärschen und Jugendweihen weit mehr Menschen zusammen, als in jedes Online-Forum hineinpaßten. Das eigene Bild in den Medien interessierte weniger und weniger. Für den Gedankenaustausch innerhalb der PSV war schon das Telefon verpönt. Die Zeichen standen auf Met-schwangere, rauschhafte Paraden, Nacktbaden und Formung von Kampfgruppen. Gleichzeitig hatten die Medien auch weniger spektakuläre Bilder, da sie von den tief im Wald stattfindenden rituellen Zeremonien nichts erfuhren.

SOJA hatte eine ähnliche politische Verschmelzung unter den vormals aufs Messer verfeindeten Jugendlichen in Ostdeutschland bewerkstelligt. Der Ton war hier kämpferischer, unversöhnlicher; die Überzeugung, in der Außenwelt die selben Feinde zu haben, hob die alten inneren Rivalitäten auf. Der linke Flügel, der das Kapital bekämpfen wollte, der rechte, dem Juden und Ausländer verhaßt waren, der grüne, der zurück zur Natur wollte und der modernen Technik feindlich gegenüberstand, sie alle hatten kein Problem mehr miteinander.

Nicht sehr überraschend, sondern folgerichtig also das Auftreten der SOJAs bei den Muttererde-Begattungen.

Reichlich Diskussionsstoff im Thing, der Bundesversammlung der PSV. Hier kam nun das Gefühl auf, entweder einen taktischen Rückzieher machen zu müssen, um die unvorbereitete Öffentlichkeit mit einer nur dem Traditionskundigen verständlichen Schweinerei lieber zu verschonen; oder die eifernden Fickisten kurzerhand zu vereinnahmen und mit einer großen Aktion dem Westen den Kampf anzusagen.

Sowas in der Art von... einem Marsch. Ja, jede nationalrevolutionäre Bewegung mußte schließlich auf irgendwas marschieren.

Worauf nun die PSV? Es fehlte ein ostdeutsches Fanal, eine Bastille, ein Amselfeld, kein Barkeeper rief: "Laßt uns alle zur alten Mühle gehen und uns Apfelwein holen!"

Zwickau?

Wilhelm-Pieck-Stadt Guben?

Hasserode?

Babelsberg?

Lichtenhagen?

Es wurde beschlossen, am Rennsteig im Thüringer Wald eine große Beschwörung abzuhalten, ein paar Tiere zu opfern, sich gründlich zu besaufen und dann eine Erscheinung oder sowas abzuwarten.

Die meisten von Mareks Freunden wollten dabei sein.

Sie waren immer unter den Ersten gewesen. Sie hatten damals am schnellsten den Trend zur Antifa aufgegriffen, einige von ihnen waren vorher sogar selber bei den rechtsradikalen Schlägern dabeigewesen, als das irgendwie rebellisch aussah. Später konvertierten sie in loser Folge zum Marxismus, zum Vegetariertum, zum Punk-Anarchismus, zum radikalen Feminismus, zu den Veganern, zum Hippie-Revival und vorübergehend sogar zu den Jesus-Freaks. Hauptsache, die Ersten sein, die Ätschebätsch zu den Ewiggestrigen rufen konnten, die immer noch das glaubten, was sie gestern geglaubt hatten. Es blieb nie etwas Substantielles hängen, das irgendwann so etwas wie ein eigenes Bewußtsein, eine Leidenschaft, einen tiefen Zorn hätte hervorbringen können. Es war immer nur billige Empörung, Gruppenmief und Opportunismus.

In ihrem Dunstkreis war Marek ständig von dem Gefühl befallen, irgendwas nicht ernst genug zu betreiben, irgendwas überhaupt nicht verstanden zu haben, mit bestimmten Äußerungen oder Handlungen einer unaussprechlichen Gefahr Vorschub zu leisten.

Diesmal wollte er sie einfach auf dem Standstreifen überholen. Sie hatten ja die ganze Zeit Recht gehabt, zumindest erschien es jetzt so: Auf die jeweiligen Überzeugungen kam es ja gar nicht an; die Vernunft selber, diese Ausgeburt der patriarchalischen Zivilisation, oder wie auch immer sich das böse Monster, der üble Moloch am besten nennen ließ, das Emporschwingen des Verstandes über den Gang der Welt war das letztliche Verhängnis. Oh ja. Der Verstand war der Grund für die dauernd wechselnden Glaubenssätze, für die Widersprüche der modernen Welt, für Leid und Elend.

Marek hatte sich tüchtig mit Wodka abgefüllt und seinen Kopf gegen die Mauer neben dem Friedhof gekloppt, bis er irgendwann ohnmächtig wurde.

 


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