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Daniel Kulla
Der Phrasenprüfer
Szenen aus dem Leben von Wau Holland, Mitbegründer des Chaos Computer
Club
Jetzt zu Waus 52. Geburtstag am 20.12.2003 erschienen: bei Werner Pieper & The
Grüne Kraft
hier die
Projektbeschreibung in der datenschleuder 79
"Sicherheit ist relativ: siehe Banktresore vor und nach der
Erfindung des
Schneidbrenners."
Der Phrasenprüfer revisited
Von Daniel Kulla.
Im Frühjahr 2001 richtete sich Wau Holland gerade häuslich in Berlin
ein, formulierte
Möglichkeiten der pädagogischen Vermittlung von digitalem Chaos und
häufte in
endlosen Monologen unzählige Ideen und Konzepte an. Im Sommer verstarb
er völlig
überraschend, hinterließ ratlose Anhänger und einen unübersichtlichen
Nachlaß.
Während nun im Kreise seiner Freunde und Bekannten Einigkeit darüber
herrschte,
daß die abgerissenen Fäden von Waus umtriebiger Vortragstätigkeit
wieder
aufgenommen werden müßten und seine schillernde Persönlichkeit auch
über seinen
Tod hinaus wirken sollte, war lange Zeit unklar, wie die konkreten
Formen des
Andenkens und Fortführens aussehen würden.
Zunächst trat die Wauland-Stiftung
an, das Greifbare, also
schriftliche Dokumente und Bilder, in einem Archiv zusammenzutragen und
mit der
Zeit daraus einen "Datengarten" als Ausgangspunkt für neue Projekte zu
entwickeln.
Des weiteren entstand das Vorhaben, den Alterspräsidenten des CCC und
sein Wirken auch weniger
Nahestehenden mithilfe eines Buches nahezubringen.
Wie sollte das nun aussehen? Eine umfangreiche Materialsammlung? Eine
Heilige
Schrift? Ein Handbuch Wau?
Als der Verleger der beiden "Hacker-Bibeln", Werner Pieper ,
dann zusagte, einen "Grünen Zweig" über den "größten deutschen
Aphorismenschöpfer seit Lichtenberg" (Konrad Volz) zu verlegen, rückten
mehr und
mehr Waus Sprache und seine Philosophie in den Mittelpunkt. Um
Monumentalwerke
über komplexere technische Probleme und kaum abgeschlossene
Diskussionen der
Hackerszene zu umgehen, wurde beschlossen, diese Themen für ein
CCC-internes
Buch zu reservieren.
Der Rahmen
Daher wurde ich als Nichthacker, aber Freund Waus und Spracharbeiter
auserkoren, vor allem den Menschen und seine wörtliche
Wirkung auf die häufig um ihn versammelten Kleingruppen zu schildern.
Arbeitstitel:
"Der Phrasenprüfer".
Wau soll an vier exemplarischen Wirkungsstätten beschrieben werden:
Hamburg,
Löhrbach, Jena, Berlin. Die Schilderung jedes Ortes beginnt mit seinen
Gesprächspartnern: wie mit diesen Leuten in Verbindung steht, was sie
gerade
zuletzt besprochen oder getan haben. Dann wird auf umgebende
Geschehnisse
eingegangen, wodurch sich einerseits weitere Schauplätze wie Dresden,
Ilmenau,
Bielefeld, Marburg und Heidelberg integrieren lassen und andererseits
zentrale
Themen eingeführt werden können. Der Schauplatz selbst wird anhand der
Musik,
der Drogen und des Anlasses dieses Treffens (Jena: WG-Party, Löhrbach:
Vollmond,
Berlin: Kongreß/Abendessen in Kaulsdorf, Hamburg: "normaler" Chaostag
im Club)
beschrieben.
Tja, und dann redet Wau uncut eine halbe Stunde. Das soll aus Video-
und
Tonbandaufzeichnungen rekonstruiert und mit schriftlich festgehaltenen
oder
kolportierten Äußerungen angereichert werden. Wichtige und typische
Themen
werden im wautypischen Redefluß angeschnitten, mit wenigen Einwürfen
und seinen
Reaktionen darauf illustriert.
Das Projekt
Das Entstehen des Buches lebt von breitestmöglicher Mitwirkung. Um
authentisch zu
zeigen, wie Wau sprach, müssen so viel Aufzeichnungen wie möglich
zusammengetragen werden, Videomitschnitte, Postings und Mails, Artikel,
Notizen
von und über Wau. Für die Rahmenhandlung werde ich zusammen mit Waus
ehemaligen WG-Genossen in Jena und Tommy X in Hamburg Interviews mit
Zeitzeugen und Freunden führen.
Daher hier der allgemeine Aufruf: an die unten eingeblendete Adresse
können alle als
veröffentlichungsfähig angesehenen Materialien gesandt werden. Es soll
niemandem
auf die Füße getreten werden. Die leidige Diskussion über
problematische Inhalte
und die Veröffentlichung einer Privatsphäre möchte ich gern damit
ausräumen, daß
ich Wau eher mit charakteristischen Beispielen als mit einer
vollständigen
Abhandlung beschreiben werde.
Erste Zusammenschau der Samples findet beim diesjährigen Chaos
Communication
Congress statt. Ob es einen Workshop oder einen Vortrag gibt, werden
wir sehen,
wichtig ist das Sammeln bis dahin. Das geht an:
daniel@systemausfall.de
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