Von den Deutschen
Erwin Schrödinger, Nobelpreisträger der Physik,
legt theoretischen Physikern folgendes Rätsel vor: Eine Katze befindet
sich in einem geschlossenen Raum, in dem sie theoretisch durch ein Giftgaskügelchen
(oder eine Patrone) getötet werden kann. Das Kügelchen oder die
Patrone wird durch einen Quantenzerfallsprozeß aktiviert. Ist nach
einem Intervall t die Katze tot oder lebendig?
Der theoretische Physiker kann nicht in ein Labor gehen
und dieses Experiment durchführen (was ohnehin nur das Resultat eines
Falles ergibt). Er setzt sich mit Bleistift und Papier hin und rechnet
mit Hilfe der Quantenmechanik, was nach dem Intervall t passiert ist. Er
erkennt, daß die Gleichungen ein Minimum von zwei Lösungen ergeben.
In einem möglichen Universum oder Eigenzustand lebt die Katze immer
noch; aber in einem anderen, ebenso möglichen Universum ist die Katze
tot.
Dies ist Schrödingers berühmter „Widerspruch
der Katze“. Im Grunde genommen geht es um die Frage, ob unsere physikalischen
Modelle das Universum objektiv beschreiben oder ob sie nur die Grenzen
unseres eigenen Wissens definieren.
KATZES SCHRÖDINGER
Ohne ein
Vorwort von Frank Unger
(allerdings
mit einem Gedanken des Jahres von ihm)
I
Es
stellt
sich vor
Diese Beobachtungen weisen auf einen kritischen Prozeß von Tod
und Wüstenbildung an der Wurzel des Lebendigen hin. Diese Prozesse
sind ... charakterisiert durch die Stille und durch langsame Zersetzung
des Opfers. Die Lebenskraft, herausgesogen aus dem Opfer, wird langsam
gelähmt und gibt schließlich auf.
Wilhelm Reich, Contact With Space, Was ist DOR?
Polizei saugt
anonymes Graffiti in Zentraleuropa, um 2000 n. Chr.
Deutscher: „Das sagt einem doch der normale Menschenverstand."
Tramper: „Der sagt aber auch, daß AIDS von einem Virus verursacht
wird, Haschisch gefährlich ist und daß die Regierung niemals
lügt."
Tramperin: „Haben Sie denn auch mit normalem Menschenverstand Sex?
Na viel Spaß dabei!"
17. Januar: Ein russischer Tarnkappenjäger stürzt
in der kleinen Stadt ab. Der Vorfall hat wenig Zeugen, da er gut sichtbar
abends um 20 Uhr stattfindet. Zwei Polizisten, ein Obdachloser, vier jugendliche
Autofahrer, die in ein Rennen verwickelt waren und ein Tankstellenwächter
sind alle, die etwas davon mitbekommen. Die lokalen Polizeinachrichten
berichten vom Wochenende über eine tödliche Massenkarambolage,
bei der alle Beteiligten unter 18 waren; in den Kurzmeldungen ist vom ersten
Frosttoten zu lesen, dem erfrorenen Obdachlosen Herbert L.; wenig später
erscheint die Sterbeanzeige der Hinterbliebenen des Nachtwächters
N.; es geht in der Woche das Gerücht, zwei örtliche Polizisten
seien in die Hauptstadt versetzt worden.
Die schirmlose Glühbirne hing von der Decke und
baumelte sogar ein bißchen, und so sah es noch mehr aus wie in einem
dieser trendgesegneten Videoclips. Aber sie war aus, so daß statt
des schaukelnden Video-Schattens ein flackernder von einer Kerze ein riesiges
graues Abbild der Katze an die Wand warf. Diese Form, die zwei spitzen
Dreiecke der Ohren, dazwischen die haargezackte Zwischenebene, gewann in
diesen Ausmaßen Macht.
Alex (Tee, Restalkohol vom Abend vorher) legte die p.c.
weg, die er gerade gelesen hatte, und scheuchte die Katze fort, von der
er nicht mal wußte, welche aus dem ganzen Arsenal des Hauses es war.
Er mochte keine Katzen mehr sehen, schon gar nicht zwei Quadratmeter groß
an der nackten Schlafzimmerwand. Überall gab es nichts anderes, seit
seine Freunde komplett zu diesem kindischen Katzenkult konvertiert waren.
1998 und Gott sprach durch die Katzen zu ihnen. Er konnte nicht sagen,
ob sie es wirklich ernst meinten, oder ob sie nur Spaß an den Zeremonien
hatten, bei denen sie alle total high wurden, wie sie sagten. Oder ob sie
es sich zur Aufgabe gemacht hatten, alle anderen, ihn eingeschlossen, gründlich
zu verarschen.
In jedem Fall ging es ihm auf den Keks. Er sah zu, daß
er von ihren unablässigen Sprüchen - "Die Katze steht im Mittelpunkt
aller Dinge", „Wenn es neue Katzen hier braucht auf Erden, müssen
wir selbst die Katzen werden" - verschont blieb. Er konnte ihr hysterisches
Gelächter und ihre manischen Blicke nicht ausstehen. Er ging auch
heute lieber in seinen Keller und fing an zu basteln. Sollten sie doch
alle durchdrehen, oben in ihrem „Katzenhaus".
Er zersägte ein paar Bretter und suchte dann noch
nach einer passenden CD, mit der er das Gesinge aus der Wohnung
übertönen könnte. Ein wenig Deathmetal wäre genug, würde ihn aber nur wieder dazu bringen, wie angestochen die Bretter zu zerhauen. Vielleicht lieber Jazz. Mit Jazz baut er auch die ganze Nacht hindurch. Oh ja, „The Escape from the Planet of the Apes" , sehr passend zu seiner Bastelei. Alex lächelte, während oben weiter gesungen wurde:
„Katzeklo, Katzeklo
Ja, das macht die Katze froh"
***
„Und zum Schluß noch eine interessante Theorie aus
dem Netz", erzählte Mikere (zwei Haschkekse) ins Mikro von Perez Pervij.
„Heute tauchte dort eine Sammlung von Erfahrungsberichten auf, die einige
Psychonauten bei experimentellen Versuchsreisen zusammengetragen haben.
Die Reisen zielten auf den Aufenthalt in Paralleluniversen, und es scheint,
als ob ein Universum sich besonders häufig in unserer Nähe auf
der Wahrscheinlichkeitsachse befindet. Immer wieder wird von einem Universum
berichtet, in dem der ganze Unterschied darin zu bestehen scheint, daß
es unsere Inseln nicht gibt. Also, alles lief ziemlich genau so wie bei
uns die ganze Zeit, Atlantis, die Saharasia-Katastrophe, die Phase des
Patriarchats mit den Eroberungen, der Industrialisierung, den Weltkriegen,
den UFOs, den 60ern - ja, und dann erscheint einfach kein Llom Catooca,
die ganzen Hippies, Wissenschaftsschamanen, Anarchisten haben keine eigene
Insel, bleiben in den Gesellschaften. Es kommt zu keiner Batilkrise, es
gibt keinen Weltbürgerkrieg und keine anhaltenden Revolutionen überall.
Dort werden die Hippies zunächst gewalttätig, dann resignieren
sie und verkaufen sich. Es ist eine Parallelwelt, die viel zu denken gibt.
Die Liebe ist dort nicht auf eine Insel geflohen, sondern hat sich, wenn
auch verbogen und entstellt, über die ganze Welt verteilt. Wir wissen
nicht, wie die Zukunft unserer Welt aussieht, ob es hier gelingt, wenigstens
die 13 Millionen Bewohner Llom Catoocas vor dem Kollaps zu retten oder
nicht mal das; genauso wenig wissen wir , ob es dort der verbogenen Liebe
möglich sein wird, die ganze Menschheit zu bewahren. Lest darüber
im Netz, es lohnt sich. Hier noch ein Klassiker zum Schluß. Ihr hört
Perez Pervij, ich bin Mikere und DIES ist Brons Ink, 'In the Valley of
the Seeing Blind'".
Inhalt
Wer ist es?
Mitternacht: Der russische Präsident (eine Flasche
Vodka) ruft über Staatsfernsehen zur äußersten Wachsamkeit
gegenüber Flugzeugen aus Richtung Mitteleuropa auf. Er verurteilt
die Versuche der NATO, Rußland einschüchtern zu wollen. In der
Nachtausgabe der Aktuellen Kamera (viel Kaffee) werden diese Auftritte
als grundlos und provozierend bezeichnet; ein kurzer zeitgeschichtlicher
Rückblick auf die anhaltende Weigerung der Russen, dem freien Friedenskriegbündnis
beizutreten, eilig zusammengeschnitten, erklärt die Lage, wie sie
ist.
„Artig! Komm her!" rief Mike (drei Zigaretten in
der letzten Stunde) seinem Kater Moser zu. „Du hast hier nichts zu suchen."
Moser blieb sitzen.
„Überlegst du noch?" fragte Mike wie ein Lehrer
seinen Schüler.
Moser legte den Kopf zur Seite.
„Jetzt mach keine Faxen, Moser! Moser! Komm!" Mike sprang
auf das Tier zu und langte nach ihm. Moser war schneller und sprang elegant
zur Seite. „Wo bist du denn jetzt? Moser?" Unterm Schrank - nicht. Hinter
der Heizung - nicht. Verdammt.
Mike drehte sich um und sah Moser seelenruhig in der
Mitte seines Schwarzen Zimmers sitzen und die Reste der diesjährigen
Fliegenpilzvorräte aufessen.
***
Was war nur aus Deutschland geworden? Dieses wunderbare
Land war mal eine richtige Nation gewesen. Es hatte eine Regierung, eine
Armee, eine Nationalhymne gehabt, es hatte schöne Fernsehshows, guten
Fußball und Sicherheit gegeben. Es hätte doch alles so bleiben
können. Es hätte doch alles so schön sein können.
Horst Immayer (Valium, ungezählte gepaffte Zigaretten)
ging die Treppe vom Schlafzimmer in die Küche hinunter. Seit Tagen
hatte er nur gegrübelt. Vielleicht die ganzen Wochen davor auch. Er
war gebürtiger und stolzer Offenbacher.
Damals in Offenbach. Ich hatte meine Bierkneipe, in die
ich abends mit den Kollegen vom Büro gehen konnte. Es war manchmal
etwas trist und langweilig, aber es ging allen gut, es war Deutschland.
Dann kam 86 und die Heimholung des Ostens. Ich wurde
damals schnell skeptisch, aber keiner wußte damals, daß die
Gefahren nicht darin bestanden, Kerndeutschland mit der russischen Zone
zusammenzufügen. 88 kam Österreich hinterher, 89 die deutschen
Gebiete in Polen und der Tschechei. Es sah aus, als wäre es wieder
das alte, das große Deutschland, aber ich hatte schlechte Ahnungen,
weil ich mir irgendwie sicher war, daß es eigentlich nicht mehr Deutschland
war.
Etwa 90 oder 91 war dann die ganze verdammte Welt einfach
komplett wahnsinnig geworden. Es flammten überall Bürgerkriege
auf, in denen die Schwarzen (die Llom-Catooca-Anhänger) durch ihre
Existenz oder bestimmte Besetzungsaktionen die Auslöser waren, die
Roten (die Außendienststellen von Batil, der kommunistischen kleinen
Insel vor Llom Catooca) die treibende, aufwiegelnde, kämpfende Kraft
und die Blauen die oft ebenso wahnsinnige Reaktion der jeweiligen Nation.
In Rußland siegten natürlich die Roten, und halb Europa wurde
deshalb von den Amerikanern besetzt. In Japan, Indien und fast ganz Afrika
siegten die Roten ebenfalls, sonst war überall seitdem Bürgerkrieg.
Batil lieferte Waffen, Leute, Propaganda, während Llom Catooca sich
unverständlicherweise heraushielt: es war bekannt, daß es fortgeschrittener
und stärker war als jedes andere Land. Trotzdem verteidigte es sich
nur und suchte seine Ruhe.
Im Grunde genommen wollten wir in Offenbach auch nur
unsere Ruhe haben. Aber wie überall im Land gab es dann den Großen
Knall. Die amerikanischen Blauen drehten in Belgien völlig durch und
veranstalteten regelrechte Massaker. Daraufhin empörten sich auch
in Deutschland viele Menschen. Die Russen und andere Rote nutzten diese
Stimmung aus und schafften es irgendwie, die Leute mit der Idee einer kommunistischen
Diktatur anzufreunden. Um den Greueltaten der Amerikaner zu entkommen begab
man sich in die Obhut des organisierten Greuels. Sie haben es jedenfalls
geschluckt. Selbstverständlich nicht alle, nicht mal eine Mehrheit,
aber viel zu viele. Dann war Deutschland ein Lager. Einfach alles wurde
verboten oder Regeln unterworfen oder rationiert. Sie verschleierten es
nicht mehr wie damals in der Zone. Sie erzählten allen, daß
in Batil alle unter Waffen stünden und begeistert wären, und
daß es das beste wäre, wenn wir es genauso machen würden.
Frauen, Kinder ab 10, Alte manchmal bis 70 wurden bewaffnet und ausgebildet.
Sie hatten nicht ganz Deutschland, diesmal nur den Westen.
Kaum war der Kommunismus drei Tage im Land, versuchten
die Blauen von außerhalb einzufallen. Ich war für Deutschland,
auch für ein rotes. Also half ich mit russischen Knarren, die „Schlächter
von Belgien" aus Deutschland rauszuhalten.
Aber es schien alles verloren: Es gab keine Deutschen
mehr, kein helfendes Amerika, keine Völkergemeinschaft, nichts. Nur
noch Schwarz, Rot und Blau, Stealth-Bomber, chemische Kampfstoffe, weiß-der-Teufel
was für Viren und Computerkrams. Trotzdem blieb die Grenze auf merkwürdige
Weise recht stabil. Die Blauen hatten zuviel zu tun, da in Belgien, Holland
und Frankreich Bürgerkriege tobten.
Ich war zwölf Wochen an der Front zwischen Aachen
und Moers und habe hundertmal gehört, wie jemand schrie: „Sie werfen
Atombomben!" Die Jungs bei uns im Heer wurden im Laufe der Zeit immer unmenschlicher,
unwirklicher. Sie wurden zu Sadisten, wenn ihnen ein Blauer in die Hände
fiel, spießten Trophäen auf und vergewaltigten in allen Orten,
in die wir einrückten. Sie sahen nicht mehr aus wie Lebewesen: die
Giftgasmasken, die Virusschutzanzüge (wegen der B-Waffen vergewaltigten
sie bald nur noch die „sicheren" Kameraden aus der Truppe), die Funkverbindungsgeräte,
die ganze Computertechnik. Sie hätten Roboter einsetzen sollen, aber
sie hatten wohl keine; also haben sie Roboter aus uns gemacht. Die amerikanische
Armee bestand vielleicht nur aus Robotern.
Immer wieder diese Frage: Haben wir nun gegen Maschinen
gekämpft? Wie haben wir sie zurückhalten können?
Ich werde mal runter zum Platz gehen. Die Hakenkreuzler
haben sich sicher wieder zusammengefunden, und vielleicht haben die Drogen
für mich.
***
14. Januar: In den USA wird ein Buch mit dem
Titel Following My Will veröffentlicht, in dem der Autor beschreibt,
wie sein Liebesleben im Verlaufe eines Jahres aussah. Es ist zu lesen,
wie er seine Kraft aus den Erlebnissen bezieht, wie tief er die Männer
und Frauen, die ihr Bett mit ihm teilen, kennenlernt, welche Gelassenheit
er aus diesen riesigen Verschmelzungen in langsamen, kräftigen Rhythmen
zog, wie er in der Lage war, sich sein Leben völlig zu vereinfachen
und schulterzuckend von vielen Dingen unabhängiger wurde. Das überhebliche
Machwerk des radikalen Power-Ethikers wird von wachsamen christlichen Bürgern
gesammelt und verbrannt. Robert Anton Wilson bezieht für das Buch
Stellung, wodurch er erstmals der breiten amerikanischen Öffentlichkeit
bekannt wird.
Hey, wow, ich dachte ja, daß ich schnell vorankommen
würde, aber, Scheiße, ich kann es vielleicht noch heute abend
fliegen lassen. Hey, hey, hey, hier kommt Alex. Aber ich werde es sicher
kaum schaffen, die Proportionen abzustimmen, wenn ich nichts esse. Im Katzenhaus-Kühlschrank
sind natürlich nur Brekkies, Kondensmilch und ihre Heiligen Pilze.
Also werd ich wohl einkaufen gehen.
Nicht vergessen, den Keller abzuschließen, den
Schlüssel in das Schloß, Monique ficken, Monique ficken, und
gehen. Sicher achten sie auf jeden Schritt, den ich mache, Moniques Schritt,
Moniques Schritt. Ich schau erstmal wo's billig ist, denn am Ende brauche
ich das Geld vielleicht noch dringender fürs Basteln, ein bißchen
Holz, einen Hammer, Nägel, Stecker für Monique, alles für
Monique; ich deck mich lieber für'n paar Tage ein, damit ich
nicht mitten in der Erprobungsphase noch mal raus muß.
Die Wand an den Garagen: wie immer kunstvoll verziert:
PENIS LOVES YOU, FÜR HASCHISCH - GEGEN NAZIS, ARISTOTELES WAR BELGIER.
Ach, und jetzt machen sie auch da mit: FRITZ THE CAT IST IN DIR. Ich kann
wohl nirgendwo mehr hingehen, ohne ihre verdammten Katzen sehen zu müssen.
ICH BIN DIE KATZE, DEIN GOTT. Ich kann natürlich vieles von den Theorien
nicht widerlegen. Daß Schrödinger beispielsweise sein Katzen-Paradox
von einer Katze empfangen hat. Ich meine, klar, warum ausgerechnet Schrödingers
Katze? Das ist schon klar, aber ich weiß einfach nicht, warum sie
die eine Erklärung nun für richtig halten. Ich weiß nicht
mal, ob sie sie für richtig halten. Sicher ist ja nur, daß sie
einen Riesentumult veranstalten und mit vieldeutigen Stimmen verkünden,
daß sie an all das glauben, was sie sagen. Wer weiß, was der
Schwindel daran ist? Und ob sie nicht vielleicht wirklich einer wichtigen
Sache auf der Spur sind. Er hatte sie gefragt.
„Du bist die alte Schule", hatte Monique daraufhin immer
gesagt, im Bett, danach, als er noch so oft in ihr war, wie er wollte,
oder besser: wie er konnte. „Richtig und falsch. Gut und böse. Wichtig
und belanglos. Da spricht das 19. Jahrhundert, das entstammt doch alles
dem christlichen Zeitalter, und das geht vorüber."
Und wieder: Ja und nein. Es ging nicht. Es klang gut:
es gibt keine Gegensätze. Es klang gut, weil sie es nach ihren grandiosen
Tantra-Aufführungen gesagt hatte. Aber vielleicht war es wirklich
eine ihrer wichtigen Erkenntnisse? Es konnte genauso gut eine Täuschung,
eine geschickte Rechtfertigung oder Beschwichtigung sein.
Yo, einen Riesenberg Nudeln kaufen, gute Idee. Ein paar
Soßen, ein bißchen Pfannenfleisch. Wie lange muß das
wohl reichen? Weiter. Kein Katzenfutter, das Öl ist alle, die Katzenstreu
sicher nicht, Schokolade? Na klar. An der Kasse sind sicher noch billige
Süßigkeiten. Und Tittenzeitungen mit Monique. Sie ging immer
mal als Model für alles mögliche und er hatte sie schon hier
und da auf dem Titel gesehen. Cover Girl, falsche Telefonnummer, Hobbys:
„Dance-Klamotten kaufen, in die Disco gehen, mit meiner Katze spielen."
Immerhin war nicht alles gelogen. Keins von den erleichterten Gesichtern
der Typen, die über ihrem Bild kamen, wußte, wie sie das mit
der Katze meinte. Aber glücklich, aber Geld, ein wichtiger Teil zum
Betrieb des Katzenhauses.
Ich hab sie gefickt, Naßhosen! 18 Mark 92, hab
ich sogar passend. Ich hab sie gefickt. Wo kriege ich jetzt Schrauben her?
Ich brauch noch Schrauben für die Unterseite. Ich werde es heute nacht fliegen lassen. Ihr werdet noch staunen, ihr nassen Hosen! Und ihr spitzen Ohren auch.
FÜR OBEN
GEGEN UNTEN
***
Roosevelt (Pfeifentabak) blätterte nervös in
ein paar Berichten. Er wußte, weshalb die Offiziere hier waren und
hatte keinen weiteren Bedarf an höflichem Vorgeplänkel. „Meine
Herren, Sie sollten vielleicht doch zum Punkt kommen."
„Ja, wie sie wünschen, Mister President, Sir", sagte
Rever (eine Linie Koks) und rückte sich auf seinem Stuhl zurecht.
„Sie hatte uns Experimente finanzieren lassen, wir haben daraufhin die
sechs vielversprechendsten Ansätze ausgewählt und haben nun die
ersten, äh, Zwischenergebnisse vorliegen."
„Die Sache ist die, daß zu unserer Überraschung
all diese verrückten Ideen tatsächlich zu funktionieren scheinen",
sagte Fichaker (Restalkohol, eine Schachtel Zigaretten seit dem Zähneputzen).
„Alle bis auf diesen wirklich verrückten Briten, der meint, man sollte
ihm noch dreißig Jahre geben, und er würde eine Maschine konstruieren,
die eine Million Berechnungen in der Minute durchführen könnte.
Doch die anderen sind nicht viel unglaublicher - und scheinen trotzdem
praktikabel."
Der Präsident wurde wieder unruhig. „Also heißt
das, wir müssen sehen, was wir der Bevölkerung als echt verkaufen
können. Wir müssen das machen, was sie glauben kann und nicht
für Propaganda hält. Ich hatte den Gedanken bereits, als ich
von diesem Projekt erfuhr, bei dem die Energie aus einem Atomkern ein riesiges
Gebiet völlig zerstören soll. Wer wird das glauben? Werden sie
nicht denken: ,Hey, sie wollen uns weismachen, es gäbe keine UFOs,
aber wir sollen ernsthaft glauben, sie würden mit einem Scheißatom
bewaffnet in den Krieg ziehen?,
Wie dem auch sei, Gentlemen, London steht in Flammen,
erläutern Sie zunächst alle Alternativen."
Fichaker begann: „Okay, als erstes hätten wir da
einen eingewanderten Wissenschaftler aus Europa, der zwar ein bißchen
dramatisch ist, aber eine geradezu wahnsinnige Technologie in der Hand
hat. Es sieht ein bißchen gefährlich aus, aber das Problem haben
wir mit den anderen Konzepten genauso. Er behauptet also, eine Energie
entdeckt zu haben, die überall vorkommt und die wir bisher nur deshalb
nicht bemerkt haben, weil wir Angst davor hatten. Naja, das übliche
mystische Zeugs, was Forscher so absondern. Er hat jedenfalls auf seiner
Residenz in Maine ein paar Metallrohre auf ein enormes Stativ montiert
und damit das Wetter beeinflußt. Mit dieser Gewalt wäre es möglich,
Hurricans zu erzeugen, die ganze Atmosphäre gegen Feinde zu schleudern,
andersrum kann die am Gerät selbst entstehende Ladung mühelos
eine ganze Reihe von Leuten erledigen."
„Wenn Sie erlauben", sagte Rever, „dieser Reich, um den
es hier geht, ist nicht ganz unumstritten, und damit meine ich nicht nur
seine wissenschaftliche Arbeit. In jedem Fall müßten wir hier
sehr geschickt vorgehen, weil wir letztlich die Technik von jemandem benutzen
müßten, den wir in absehbarer Zeit aus dem Weg räumen werden.
Wir können ihm seine Entdeckung leider nicht einfach stehlen, da es
sehr riskant ist, das ganze ohne sein Wissen zu betreiben."
„Ist seine blöde Residenz denn noch nicht unterwandert?"
ließ der Präsident los. „Alte senile Hanfbauern machen sie alle...
Mr. Hoover wird wohl hier demnächst auch noch vorsprechen müssen.
Jedenfalls denke ich, Sie sollten vielleicht zunächst fortfahren.
Querköpfe haben wir weiß Gott genug am Hals."
„Wie Sie es sagen, Sir", schmunzelte Rever, „wir werden
in diesem Krieg nur offenbar nicht ohne sie auskommen können. Zum
andern sind die Herren auch zu unserer Überraschung willens, mit uns
zusammenzuarbeiten. Verstehen Sie, es hat Vorteile, deutsche Flüchtlinge
gegen die Nazis arbeiten zu lassen. Die Atombombe und auch der nächste
Plan stammen im wesentlichen von Einstein, der in dieselbe Kategorie wie
Reich fällt. Erläutern Sie dieses Unsichtbarkeits-Experiment,
Fichaker."
„Einstein hat sich in den Zwanzigern mit der Vereinheitlichung
von Gravitation und Elektromagnetismus beschäftigt. Die ganze Theorie
und die Gleichungen sind so kompliziert, daß er sie selber gerade
versteht. Die Idee ist die, die Kombination der beiden Felder zu nutzen,
um Dinge unsichtbar zu machen. In Philadelphia wurde ein Schiff in eine
unsichtbare Dimension verfrachtet und wieder zurückgebracht. Einige
Matrosen sind dabei verbrannt, aber das sind Nebenerscheinungen, die wir
vielleicht in den Griff bekommen könnten."
„Großer Gott", seufzte Roosevelt. „Gibt es denn
nichts, was schon spruchreif ist? Hatten Sie nicht irgendwas von unseren
grauen Freunden erbeutet?"
„Oh, well, die Herren haben hier auf der Erde ja ihre
halbe Geschichte hinterlassen. Wir haben allein letzten Monat zwanzig Wracks
ihrer Untertassen geborgen. Aber auch die Handvoll technischer Apparaturen,
die wir verstehen, können wir in unseren Fabriken nicht nachbauen.
Wenn Sie mit Ihnen verhandeln würden, wenn es die Möglichkeit
gäbe, sie dazu zu bringen, uns ein paar ihrer Technologien zu erklären.
Sie sagen Ihnen, es gäbe eine teuflische Macht auf der Erde, die mit
allen Mitteln niedergerungen werden müßte."
„Ist es nicht so? Aber das sind nicht die Deutschen,
wie mir scheint. Gentlemen, machen Sie es sich bequem, wir haben noch viel
zu besprechen. Zigarre?"
„Könnte es sein, daß wir schon lange wach sind?
Wie oft muß man denn erleuchtet werden, bis man endlich wach ist?"
Enz kramte nach dem Tabak. „Ich glaube, so lange wir
noch solche Fragen stellen, haben wir's noch nicht raus, Ditto." Er nahm
ein Paper, bog die Seiten an und fischte sich ein paar Tabakfäden
aus der Verpackung. Dabei hielt er die Nase über das Kraut und atmete
tief ein. „Ich werde mich nie an das Zeug gewöhnen können. Es
ist heilig." Er verteilte den Tabak gut über das Papier und bog es
noch weiter, schon fast eine Rolle formend. Dann langte er nach einem Erdnußbutter-Glas
mit der Aufschrift „Earl Green" und förderte ein paar staubtrockene,
kaum noch grüne Hanfblattkrümel zutage, die er mit dem Tabak
vermengte. „Ich weiß es jedenfalls wirklich nicht, woran man erkennen
kann, ob man wirklich schon wach ist. Ich kann auch nicht sagen, wer von
den anderen vielleicht schon wach ist. Nach dem äußeren Schein
sind sie drüben im Katzenhaus hellwach. Aber da ich selber nicht glaube,
wach zu sein, wie kann ich das beurteilen?" Er hatte mittlerweile eine
ganz ansehnliche, aber etwas zu flache Zigarette fabriziert, gerade so
perfekt, wie er sie zuwege bringen konnte, wenn er so selten und jedesmal
fast religiös rauchte.
Ditto ließ den Kopf nach hinten auf die Couch fallen,
an der er lehnte und atmete tief durch. „Es gibt scheinbar keinen Weg,
es rauszufinden. Keiner kann dir sagen, ob du schon aufgewacht bist, weil
er nicht wissen kann, ob es ihn selbst schon getroffen hat. Und selbst
wenn er es behauptet, wie die wiedergeborenen Christen und all die Esoteriker,
weißt du nicht, ob es stimmt. Letztlich kann ich nicht glauben, daß
diese Leute wirklich erleuchtet sind. Du weißt schon, spirit shine
all the time can render you blind. Ich kann mir von diesen Leuten beibringen
lassen, wie ich vielleicht in den Zustand gelangen könnte, den sie
erleuchtet nennen."
Enz hatte seine Zigarette eine Weile bewundernd angesehen
und mehrmals an ihr gerochen. Nun hatte er sie zwischen den Lippen hängen
und entzündete ein Streichholz. Das Geräusch des ersten Zuges,
knisternd wie ein Lagerfeuer, genau wie in der Werbung, nein: viel besser,
weil jetzt wirklich der heiße Dampf durch seine Lunge strömte,
ihn aufpumpte, ihm den tiefsten Atemzug ermöglichte, den er je gemacht
hatte. „Es gibt ganz zweifellos ein paar Erleuchtete. Aber die hatten ...
keine Technik, um es zu werden. Die hatten ... ein paar extreme Erfahrungen
und vor allem hatten sie die Fähigkeit, ... darauf mit Erleuchtung
zu reagieren, verstehst du. ... Nicht nur die Frau von Leary ist gestorben,
und er war sicher nicht der einzige Witwer, der später LSD genommen
hat. Trotzdem ... wurde er wirklich erleuchtet und all die anderen nicht."
Er sprach zwischen seinen Zügen und hatte mittlerweile zur Unterstützung
seines Rauch-Yogas auch den Kopf zurückgelehnt. „Ich glaube nicht,
daß es so etwas wie ... Vorbestimmung in dem Sinn gibt. Prädestination.
Mit Crowleys Konzept ... des Wahren Willens kommen wir auch nur wenig
weiter, weil er zwar so schlau war, Gene, Erziehung, Erfahrung, höhere
Einflüsse und blanken Zufall einfließen zu lassen, aber letztlich
... all diese Dinge auf einen Willen pro Mensch runtergerechnet hat. Das
ist albern."
„Alles erscheint möglich, nichts erscheint möglich",
sagte die Zigarette.
„Ich hab sie. Ich haaaaaab sie. Ich happ sie. Jah."
Über der zitternden Hand an der Maus flimmerte die
Bestätigung auf dem Bildschirm: EXECUTING YOUR DECISION, SIR. Wie
lange auch immer sie dafür gebraucht hatten, das Programm für
die Gehirnwäsche ihrer Räumungstruppen auszutüfteln und
es abzusichern, sie waren a) zu langsam, b) zu mechanisch und c) zu alt
gewesen, vor allem hatten sie d) nicht mit Crack City gerechnet.
Feierlich verkündete Minoh durch die Halle: „Pal,
Wanda, hört endlich auf, langweilige Konten zu knacken. Das hier ist
der Orgasmus. Eine Hundertschaft Bullen kriegt jetzt die kompletten Songtexte
von Ministry metertief in die Nerven gebrannt."
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Soweit
zum Reinlesen
Interesse am ganzen Buch? Das
gibt's hier zu bestellen.
Oder frag Kermit den Frosch.
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